Rekonstruktion des Gesichtsnervs (Nervus facialis)

Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde

Es gibt verschiedene Ursachen für das Auftreten einer Gesichtsnervenlähmung. Hierzu zählen unter anderem Verletzungen des Schädelknochens (Schädelbasis, sog. Felsenbeinfrakturen). Auch maligne Tumoren der Ohrspeicheldrüsen, zu denen Sie weitere Infos unter dem Menüpunkt „Speicheldrüsenerkrankungen" können ursächlich sein.

In einigen Fällen sind chronische Entzündungen der Ohren (Cholesteatome), virale Infektionen (zum Beispiel Zoster oticus) oder Zeckenbisse (Neuroborreliose, häufig bei Kindern) der Auslöser. Hinzu kommen Lähmungen, für die keine Ursache ermittelt werden kann, sogenannte idiopathische Lähmungen oder Bell’sche Lähmung.

Symptome bei Lähmungen des Gesichtsnervs

Komplette oder teilweise Lähmungen des Gesichtsnervs stellen für die Betroffenen eine besondere Belastung dar. So können beispielsweise die Mundwinkel auf der betroffenen Seite beim Sprechen oder Lächeln nicht oder nur eingeschränkt bewegt werden. Auch mimische Bewegungen, die Emotionen zum Ausdruck bringen, werden nur auf der nicht betroffenen Seite ausgeführt. Die Folge ist eine Asymmetrie des Gesichtes („schiefes Gesicht"), die für das soziale Umfeld deutlich sichtbar ist.

Lähmungen des Gesichtsnervs können ihren Ursprung oberhalb des Hirnnervenkernes (zentrale Lähmung) oder unterhalb des Hirnnervenkernes (periphere Lähmungen) haben. In das Gebiet der HNO-Heilkunde fallen nur periphere Lähmungen. 

Unsere Leistungsschwerpunkte

Um mögliche Ursachen abzuklären, ist eine spezielle und interdisziplinäre Diagnostik Voraussetzung. Dieses ist in unserer Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde umfassend gewährleistet. Daneben stehen im Rahmen der interdisziplinären Zusammenarbeit alle Verfahren der Bildgebung (Computertomographie und Magnetresonanztomographie) und der Elektrophysiologie (z.B. Elektromyographie) zur Verfügung.

Unsere therapeutischen Leistungsangebote und Schwerpunkte umfassen zum einen spezielle medikamentöse Therapien, adjustiert an neueste wissenschaftliche Erkenntnisse. Hierzu gehören u.a. die standardisierte Verabreichung von Kortikosteroiden, von antiviralen Medikamenten (Aciclovir) aber auch spezielle Formen der mimischen Physiotherapie.

Zum anderen stehen als operative Maßnahmen alle Formen der Gesichtsnervenrekonstruktionen - direkte Nervennähte, Nerven-Interponate, Fremdnerven-Anastomosen (z.B. Hypoglossus-Facialis-Jump-Anastomose - zur Verfügung. Diese Verfahren werden mit modernsten vergrößernden Instrumenten, d.h. Operations-Mikroskope der neuesten Generation durchgeführt.

Diagnose bei Lähmungen des Gesichtsnervs

Eine gründliche HNO-Untersuchung mit modernster Technologie bildet die Basis der Diagnostik. Hierzu gehören unter anderem:

  • Spezielle Laboruntersuchungen
  • Elektromyographie
  • Schirmer-Tränentest
  • Geschmackstest
  • Verschiedene audiologische (Hörtest-) Verfahren

Nach diesen diagnostischen Maßnahmen ist eine Einschätzung über Art und Ausmaß der Lähmung und eine differenzierte Therapieempfehlung möglich. Alle Patientinnen und Patienten mit Gesichtsnervenlähmungen werden darüberhinaus auch in der Klinik für Neurologie der Universitätsmedizin Göttingen untersucht, mit der eine enge interdisziplinäre Kooperation besteht.

Therapie bei Lähmungen des Gesichtsnervs

Die Behandlung einer peripheren Fazialisparese kann je nach Ursache medikamentös oder operativ erfolgen. Bei einer Lähmung ohne erkennbare Ursache (sogenannten idiopathischen Parese) oder auch bei posttraumatischen Lähmungen des Gesichtsnervs kommen Medikamente wie zum Beispiel Kortikosteroide in absteigender Dosierung zur Anwendung. Bei einer viralen Ursache der Lähmung werden sogenannte antivirale Medikamente (Aciclovir) hinzugefügt. Ist es im Rahmen von Tumoroperationen notwendig, den gesamten Nerv oder Teile des Nervs zu entfernen, kann dieser durch Entnahme von Spendernerven aus anderen Körperregionen rekonstruiert werden. Diese sogenannten Nerveninterponate werden entweder aus anderen Körperregionen, zum Beispiel dem Unterschenkel oder benachbarten Strukturen im Halsbereich gewonnen.

Die Wahl des jeweils anzuwendenden rekonstruktiven Verfahrens hängt von der individuellen Situation ab. Grundsätzlich werden alle Eingriffe zur Rekonstruktion des Gesichtsnervs mit feinstem Nahtmaterial und unter mikroskopischer Kontrolle durchgeführt.

Ist eine Interposition oder ein sogenannter direkter End-to-End-Anschluss nicht möglich, können auch Fremdnerven - zum Beispiel der Zungennerv - durch spezielle mikroskopische Techniken zur Regeneration der Gesichts-Muskulatur eingesetzt werden. Dieses Verfahren kommt häufig nach der Entfernung eines Hörnerventumors, bei welcher der Gesichtsnerv nicht erhalten werden konnte, zur Anwendung. Durch moderne Operations-Techniken kann hierbei die Zungenfunktion weitestgehend erhalten werden.

Bei allen genannten Verfahren zur Nervenrekonstruktion ist nicht direkt nach der Operation eine Verbesserung der Gesichtsmotorik (Mimik) zu erwarten. Die Zeit bis zur ersten sichtbaren Bewegung beträgt zirka fünf bis sechs Monate. Dabei verbessert sich der Bewegungsumfang danach in aller Regel weiter.

In allen Fällen einer Gesichtsnervenrekonstruktion kommt es später zu Mitbewegungen (Synkinesien) anderer Gesichtsmuskeln (sogenanntes „Grimassieren"), die bei bestimmten emotionalen oder willkürlich gewollten Bewegungen des Gesichtes auftreten und ohne Defektheilung nicht auftreten würden. Im Anschluss an eine operative Rekonstruktion der Gesichtsnerven kommen deshalb im Göttinger Nerven-Rehabilitations-Programm Botulinumtoxin-Injektionen zur Reduktion des Grimassierens zum Einsatz.

In bestimmten Fällen ist ein Nervenaufbau nicht möglich oder nicht sinnvoll. In solchen Situationen kommen sogenannte „adynamische Verfahren" zur Anwendung. So können zum Beispiel Asymmetrien des Gesichtes durch Zügelplastiken (Entnahme von Muskelhaut aus dem Oberschenkelbereich) ausgeglichen werden. Die Muskelhaut (Faszie) wird dann in das Gesicht transplantiert und bestimmte Regionen können so gehoben/gestrafft werden.

Alle genannten Verfahren - auch in Kombination angewandt - haben das therapeutische Ziel, eine möglichst normale mimische Funktion zu gewährleisten.

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